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DAS 19.JAHRHUNDERT AM FREITAG

 

Noch nicht jodelnd, aber tanzend und tändelnd wird unser abwechslungsreiches Angebot des 19.Jahrhunderts eingeleitet. Der Tanz beginnt in einem heiteren Allegro giocoso, dessen Tempo sich gefühlsbetont zu verlangsamen vermag. Carl Daub und Friedrich Creuzer führen den Reigen durch die Studien, eine der wichtigsten Zeitschriften der Romantik. Unter dem Pseudonym "Tian" schließt sich hier Karoline von Günderode mit ihren Theaterfiguren dem Groß-Wezier Mangu, Sino und dem Derwisch Udohla ebenso an wie Nerissa aus dem Harem des Sultans. In Tausend und eine Nacht, herausgegeben von August Lewald, verlieren wir uns dank der 2000 Holzstiche in orientalische Welten und in die zum ersten Mal vollständig und treu übersetzten Erzählungen. Aus dem Orient gelangen wir in die Berge. In der alpenschwärmerischen und vor allem seltenen Sammlung auserlesener Gebirgslieder sind nicht nur Blumenranken zart lithographiert, sondern auch Bauernburschen, Jäger und Liebespaare in wieder liebgewonnenen Trachten. Hier empfielt es sich noch etwas um sich selbst zu drehen, bevor aus dem Scherzando ein drängendes Stringendo wird.

Die Pressefreiheit wird nicht nur von J.P.L. Snell in einer Veröffentlichung im Jahre 1829 gefordert. Mit kratzender und sarkastischer Feder kritisiert Heinrich Heine in seiner Veröffentlichung Neue Gedichte - hier angeboten in der zweiten, im Jahr der Erstauflage erschienenen Ausgabe - die deutschen Zustände. Die 1833 in Frankfurt eingeweihte Paulskirche wird 1848/49 Ort des Vorparlaments und der Nationalversammlung. Adolph Streckfuss hat Die Staats-Umwälzungen der Jahre 1847 und 1848 umgehend niedergeschrieben und veröffentlicht. Der chronologisch angeordneten Auflistung folgen noch die damals verbotenen und in einer weiteren Auflage erschienenen Zeitgedichte als Ein Glaubensbekenntniß von Ferdinand Freiligrath, doch dann reitet schon Iwan auf dem grauen Wolf neben der Prinzessin über den Einband des Märchenbandes von Wassiliy A. Joukowsky ein, gefolgt von weiteren Märchen von Gisela von Arnim. Zahlreiche Lithographien zeigen uns sodenn Die Oberlausitz als besondere Abtheilung von Sachsens Kirchen-Galerie, Holzstichtafeln Walrösser aus Der hohe Norden von Georg Hartwig, ein Stahlstich im Handatlas in Foliumgröße von Adolf Stiehler den Kontinent Australien, Originalphotographien lichten das Souvenir de Constantinople ab und der dunkelgrüne Leineneinband in Kalikogewebe präsentiert mit goldener Prägung Die österreichisch-ungarische Nordpol-Expedition in den Jahren 1872-1874.

Unser 19.Jahrhundert endet mit der dreibändigen Ausgabe Encyklopädisches Handbuch des gesamten Turnwesens, in dem nicht nur – wie auf der einen Abbildung dargestellt – die Erzeugung des Umschwunges erläutert wird, sondern auch mitgeteilt wird, dass das italienische Vereinsturnen auch Frauenabteilungen aufwies, die ziemlich gut besucht waren, wie nämlich jene von Rom mit 80 Damen. Zwei junge Männer haben wir vor der Paulskirche abgefangen, photographiert und befragt. In den Notizen aus Frankfurt unterhalb unserer Liste ist mehr zu erfahren.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Frankfurter Paulskirche & Berliner Wind Die Frankfurter Paulskirche, die nur 120 Meter vom Tresor am Römer entfernt liegt, wird in 17 Tagen eine verstärkte ministeriale und von einem Expertenrat unterstützte Aufmerksamkeit erfahren, denn dieser Ort der ersten deutschen Nationalversammlung soll an nationaler Wirkung hinzugewinnen. Wie diese Absicht gestaltet wird, soll noch vor Ende des folgenden Jahres empfohlen werden. Dass dieser Ort eine besondere Bedeutung hat, ahnen und wissen auch die zahlreichen Besucher, die täglich die Ausstellung in der Paulskirche besuchen. Unter ihnen fallen zwei sympathische junge Männer auf, die sich sogleich bereit erklärten, für unser Foto zu posieren. Adam Janabi aus Katar sowie Quentin Vercruysse aus Frankreich studieren in Berlin und nutzen ihre Semesterferien auch, um Frankfurt am Main einen Besuch abzustatten. Kaum haben sich die beiden wieder auf die ausgestellten Exponate gestürzt, sichten wir die Frankfurter Dezernentin für Umwelt und Frauen, Frau Rosemarie Heilig, die sich noch lebhaft an ihre große Ehrfurcht erinnert, die sie während ihrer ersten im Plenarsaal gehaltenen Rede empfand. Dieses Gebäude und der Paulsplatz mit seinen Platanen ist zudem für viele Frankfurter ein außergewöhnlicher Ort, der eine erhabene und lebhafte Ausstrahlung hat. Und gerade in dem Moment, in dem wir versuchen das gesamte Gebäude im Sonnenschein und nicht im Wolkenschatten abzulichten, beginnt ein neues Gespräch mit einer Kundin und so steht man als plaudernder Bürger vor der Paulskirche - zwar ohne Haube, Sonnenschirm oder Zylinderhut, aber ähnlich wie auf den Stahlstichen des 19.Jahrhunderts.

DER NUMMERIERTE FREITAG

 

Büchersammler werden magisch von der schillernden Anziehungskraft dieser Bücher angelockt. Nummerierte Buchexemplare bergen zumeist Besonderheiten des Materials, schmücken sich mit Seltenheitswert und stechen mitunter durch Einzigartigkeit wie die abgebildeten Drachenentwürfe hervor. Dem japanischen Krieger zur Rechten, dem springenden Fisch zur Linken, dem exaltierten Wurm unten gesellen sich nicht nur weitere von Hand gezeichnete und kolorierte Figuren hinzu, sondern auch ein aus Papier und Holzstäbchen gefertigter Drache. All diese Originale auf und aus feinen japanischen Papierbögen liegen geschützt in der aufwendig hergestellten Mappe Kites of Japan des Meisters Tatsusabro Kato. Einen robusteren Eindruck hinterlässt das Künstlerbuch von Penck. Die Buchseiten aus Karton bieten den kräftigen und energiegeladenen Strichen einen adäquaten Untergrund. „I am ar.penck … who are you?“, fragt der Künstler in 100 signierten und nummerierten Exemplaren den Leser und Betrachter. Ein agiles Höhlensteinzeitmenschlein hebt die Arme neben der hingefegten Signatur oberhalb der Nr.8 im ereignisreichen Jahr 1989.

Besonders empfindlich mutet das Buchkunstwerk Reiner als Sinn an. Die gestrichelten dynamischen Formen von Günther Uecker zu Gedichten von Gennadij Ajdi wurden vom Stein auf samtig anmutendes und zart strahlendes Lithographiepapier gedruckt. Durch des Künstlers und des Dichters Hand ist das Exemplar vorzugsweise als eines von nur 30 römisch nummerierten - hier als die Nr.II - signiert. Ludwig Meidner hat 150 Mappen der expressionistischen Strassen und Cafés mit seinem Namen versehen – vermutlich nicht ohne Hindernisse und Materialengpässe, denn das Werk erschien im Herbst 1918, kurz vor Ende des Ersten Weltkrieges. Und obwohl der Künstler gezwungen war in dieser Zeit seinen Militärdienst in einem Kriegsgefangenenlager bei Cottbus abzuleisten, liegt uns heute die von ihm signierte Nr.108 vor. Noch vor dem Krieg im Jahre 1912 erschien im selben Verlag von Georg Müller eine signierte Vorzugsausgabe des Dichters Richard Schaukal, die das Privileg hatte, auf Büttenpapier gedruckt zu werden als auch in einem edlen Maroquineinband mit goldgeprägten Deckelfileten, Innenkantenvergoldung und Kopfgoldschnitt eingebunden zu sein, um schmeichelnd als Nr.12 von 50 Exemplaren in den Händen des Lesers zu liegen. Nur ein Jahr später ist der handwerklich kunstvolle Handeinband mit der goldgeprägten Deckelvignette aus der Werkstatt von E.A.Enders nach einem Entwurf von Walter Tiemann gefertigt worden und bestätigt die hohe Buchbindekunst dieser Zeit. Unser ältestes nummeriertes Buch von Eugenie Mumm-Lutteroth aus Frankfurt am Main erschien 1889 in ihrer Heimatstadt und zieht vor allem die Blicke durch seine goldbedruckten Seidenbänder auf sich.

 

Im Anschluss des Angebotes kann man in den Notizen aus Frankfurt einem heiteren Zahlenspiel gemeinsam mit Tante Melber und dem Struwwelpeter folgen.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Zahlenspiel & Struwwelpeter Am nummerierten Freitag lassen wir uns von der nicht weit entfernten Gasse Hinter dem Lämmchen mit der Nummer 2 anziehen. Das Schild mit der Hausnummer hängt am rekonstruierten Haus zum Esslinger, das im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Auf dem Areal entstand später das Technische Rathaus, in dem auch der Tresor am Römer bis zum Jahr 2002, nämlich 25 Jahre lang, sein Domizil hatte. Vor circa zwei Jahren ist das Struwwelpeter Museum in das frisch wiedererbaute Gebäude, das die Frankfurter auch als Haus der Tante Melber kennen, gezogen. Tante Melber war die jüngere Schwester von Johann Wolfgang Goethes Mutter oder auch die zweite Tochter der Familie, die den Kaufmann und Hausbesitzer Georg Adolf Melber geheiratet hat und ihren Neffen Johann Wolfgang häufiger zu Besuch hatte, dessen lebhafte Eindrücke in Dichtung und Wahrheit nachgelesen werden können. Heute bleiben zween Mädchen vor dem Fenster des Struwwelpeter Museums stehen und betrachten mindestens eine doppelte Minute lang die 3 x 2 fremdsprachigen Struwwelpeterausgaben in Chinesisch, Französisch, in Italienisch, Arabisch, Japanisch und Türkisch. Währenddessen bemängelt ein Mann mit kurzer Lederhose auf zwoa stark behaarten Beinen die fehlende bayrische Übersetzung, und ein Paar passiert das Haus mit je einer Wurst, also mit zwei Würsten von der Altstadtmetzgerei Dey (nicht Zwey!). Wir hingegen überlegen mit der neu illustrierten Struwwelpeter-Ausgabe von Hans Witte - wundersam als 222 nummeriert - unter'm Arm, ob hier auf dem Hühnermarkt anno dazumal auch das Zweinutzungshuhn angeboten wurde. Als wir uns sicher sind, dass Hinter dem Lämmchen 2 das Leben von ausschließlich einer Zahl bestimmt ist, promenieren um Punkt 14 Uhr drei, 3, trois, tre, tres, üç, 三 Tauben, also ein Taubentrio durch das harmonische Zweierlei und bringen alles durcheinander. Hanns Guck-in-die-Luft aber – wir sehen ihn auf dem unteren Foto zusammen mit der Museumsleiterin Frau Zekorn im Duo – lässt sich nicht beirren, ja, die Hoffmannsche Reimerei bestätigt sogar die unerwartet aufgetauchte Zahl und erinnert uns wiederum an den unerwartet großen Erfolg des Kinderbuches Der Struwwelpeter: Also dass er kerzengrad / Immer mehr zum Flusse trat. / Und die Fischlein in der Reih' / Sind erstaunt sehr, alle drei.

AM FREITAG MIT WENIGER ALS 80 TITELN UM DIE WELT


Anhand des Angebotes kann heute eine Weltreise je nach Neigung und passend zu den geographischen Möglichkeiten laufend ......, fahrend -----, reitend ;:;:;:; oder segelnd ~^~ freudvoll durchgeführt werden. Versprechen können wir, dass es so einiges Kurioses auf den fremden Kontinenten zu entdecken gibt. Der Startpunkt befindet sich in Frankfurt am Main, von wo der Weg in Richtung Süden eingeschlagen wird. ...... ;:;:;:; ------ ...... ;:;:;:; ----- Der erste Halt wird in Spanien sein. Hier gibt uns Jean François de Bourgong Auskunft über die Stierkämpfe zu jener Zeit. Der Eintritt war nicht billig - das kann bereits verraten werden. Gut informiert erscheint der Autor auch über damals lebende Personen wie Don Pablo Olavide, der Zwangsaufenthalte in Klöstern absolvieren musste oder über den Sklavenhandel, zu dem er konkrete Zahlen angibt. Nachdem wir erfahren haben, wie sich in den Jahren 1782 bis 1788 die Inquisition in diesem Land verhalten hat, können wir einigermaßen erleichtert die Reise fortsetzen. ...... ~~~~ ^^^^^ ~~~~ Wir schippern zu den Kanaren ~~~~ ^^^^^ ~~~~ und belesen uns bei Renaudot über Algerien ;:;:;:;;:;:;:; --------- Von Ägypten und dem Sudan erhalten wir durch William George Browne neue Erkenntnisse - nämlich jene des endenden 18.Jahrhunderts. Darfour hat er als erster Europäer entdeckt und dort die Sitten und Bräuche der Einwohner aufgezeichnet. Interessant sind seine Beobachtungen in diesem Land über die vom Sultan erzwungenen Freilassungen versklavter Frauen oder auch die der Körperhygiene, denn statt Seife wurden Salben verwendet und besondere Haarpartien wurden ausgerupft. Diese und weitere detaillierte Beschreibungen finden Sie in dem Buch "Reisen in Afrika, Egypten und Syrien." ;:;:;:; ...... ;:;:;:; ------ ...... ;:;:;:; [Pause für das Maultier] 

;:;:;:; ----- ;:;:;:; ----- Westafrika Die "Reise durch das westliche Afrika, in den Jahren 1785, 1786 und 1787." informiert über Aufnahmeprüfungen in die sogenannten Purrah und dessen Strafen, sollte ein Mitglied Verrat geübt haben. Mit eigenen Augen gesehen und eindrucksvoll beschrieben hat der französische Ingenieurkapitän Golberry Sandhosen oder auch Tiere wie das Chamäleon. Und neben zahlreichen dieser eigenen Erfahrungen führt er in Tabellen die Anzahl der Sklaven und deren Wert auf. Wer wissen möchte, wie Krokodilfleisch schmeckt, ohne dies selbst kosten zu wollen, kann es in dem angebotenen Buch nachlesen. ...... ------ ...... ----- Südafrika ~~~~~~~~ ^ ~~~~~~~~ ^ ~~~~~~~~~ ^ ~~~~~~~~~ ^ ~~~~~~~~ ^ ~~~~~~~~~~~~ ^^^^^ ~~~~ Magellanstrasse  ~~~~ ^^^^^ ~~~~ Nach nicht ungefährlicher Seefahrt durch den Südatlantik (ein Sturm) und die Meerenge zwischen südamerikanischem Festland und Feuerland (unter Beobachtung neugieriger Pinguine) erreichen wir Chile, wo wir im Jahre 1875 zusammen mit dem Geologen A.Pissis u.a. am Krater des Vulkans Antuco stehen können. [Pause für Stärkung mit einem Guanaco-Braten]

~~~~ ^^^^^ ~~~~ ...... ------ ...... ----- Durch Nordamerika insbesondere durch die Felsengebirge bis nach Neu-Mexiko werden wir von Balduin Möllhausen anno 1857 geführt, der für diese Expedition von der Regierung der Vereinigten Staaten beauftragt wurde. Er selbst hat nicht nur die Reise, Eingeborene und andere Bewohner beschrieben, sondern auch die landschaftlichen Eindrücke gezeichnet, um uns die Charakteristiken der unterschiedlichen Landstriche vor Augen zu führen.  ^^^^ ~~~~ ^^^^^ ~~~~ ^^^^^ ~~~~ Hawaii studieren wir mit Hilfe von Augustin Krämer, bevor wir wieder in See stechen. ^^^^ ~~~~ ^^^^^ ~~~~ ^^^^^ ~~~~ Ausführlich werden wir über Australien von Samuel Sidney mit der ersten deutschen Ausgabe informiert, die mit Tagebucheintragungen von Goldgräbern endet. ~~~~ ^^^^^ ~~~~ Haiflossen vor Indonesien ~~~~ ^^^^^ ~~~~ ............ China und den Kaiserhof lernen wir dank der berühmten 24 Kupferstiche mit erklärenden Texten aus dem Jahre 1788 kennen. Wer wissen möchte, wer die Dame ist, die vor Tsching-Ti so gekonnt wie verführerisch tanzt und warum der Berater viel zu ernst den gebannten Blick des Prinzen beobachtet, möge die aufklärende Bildbeschreibung von Joseph Amiot lesen. Auch erfahren wir, warum die chinesischen Musiker im Himmel spielen und was es mit einem selten gesehenen Fabeltier auf sich hat. ------ ...... ------ ...... ----- Mit Araberhengsten galoppieren wir schließlich durch Persien des 17.Jahrhunderts, ;:;:;:;;:;:;:;;:;:;:;;:;:;:;:;: durch Arabien, ;:;:;:;;:;:;:;;:;:;:;;:;:;:;:;: Konstantinopel ;:;:;:;;:;:;:;;:;:;:;;:;: und den Balkan ;:;:;:;;:;:;:;;:;:;:;;:;: Kurz vor Ende der Reise gilt unser Dank dem athletischen und häufig lachenden Kamel aus der Reisebeschreibung von Jean Baptiste Tavernier, das uns so treu bis hierher begleitet hat. Auch das Maultier hat sich zäh und opferbereit verhalten, hat dann jedoch in Chile den mutigen Entschluss gefasst, dort auf den hoch gelegenen Bergwiesen der Kordilleren zu bleiben, um diese täglich genießen zu können. Wir hoffen, dass das Tier ein erfülltes Leben haben wird und nicht im Kochtopf von Weltreisenden wie uns landet.  ........ ----- Frankfurt am Main sollten wir nicht ansteuern, ohne zuvor am Bodensee Halt gemacht zu haben. Hier nämlich befindet sich der gedankliche Gründungsort der Antiquariatsmesse folium, die nach der Weltreise in den Notizen aus der Antiquariatswelt näher beschrieben wird.

NOTIZEN AUS DER ANTIQUARIATSWELT

folium.digital auf erwartungsfroher Jungfernfahrt Heute möchten wir auf eine digitale Antiquariatsmesse hinweisen, an der wir mit über 80 weiteren Antiquaren aus Europa, Amerika und Israel teilnehmen werden. Die Messe öffnet am Donnerstag, den 10. Juni 2021 um 14 Uhr das erste Mal seine digitalen Schleusen, um uns eine wohldosierte Flut von Titeln zu präsentieren. Initiiert wurde die Messe durch die deutschsprachigen Antiquariatsverbände der Schweiz, Österreichs und Deutschlands. Auch durch die zweisprachige Präsentation ist hier ein internationaler Markt für antiquarische Bücher und Grafik entstanden.

Das Antiquariat Tresor am Römer wird sich vorwiegend farbenprächtig und thematisch vielseitig präsentieren. Neben dem rot leuchtenden Maroquineinband des bibliophilen Autors Jules Janin, erklingt eine seltene Sammlung auserlesener Gebirgslieder als Lithographien gedruckt und von Ulrich Halbreiter herausgegeben, krabbeln Igel, Mäuse, eine Sumpfschildkröte, fliegen Hirschkäfer und Fledermäuse mit 32 anderen Tieren als Originalaquarelle des Tiermalers Erich Schröder durch das antiquarische Angebot, erfreuen 94 Vogeldarstellungen des zuvor genannten hervorragenden Illustrators unsere Augen. Sodenn fleuchen die Tiere der sogenannten Scheuchzerschen Kupfer-Bibel über den Bildschirm, gefolgt von dem blauen Huhn von A.R.Penck, den Aufregungen eines Lockenraubes sowie anderen Köstlichkeiten der Buchkunst.

BAUEN UND TECHNIK AM FREITAG

 

Es ist doch ein allzu schönes Gedankenspiel, zu dem uns Leonhard Christoph Sturm (1669-1719) - der bedeutendste Architekturtheoretiker seiner Zeit - mit seinen detaillierten Anweisungen verführt. Stellen Sie sich vor, Sie wären die Frau eines reichen Brauers und Getreidehändlers in einer volckreichen Statt im Jahre 1761. In diesem Falle könnte es sein, dass Sie in einem Haus wohnen, in dem Sie vielseitige Möglichkeiten zum Hantieren hätten. Sie würden verfügen über "einen Thor-Weg, eine grosse Trinck-Stube, eine kleine Trinck-Stube, oder, wo der Hauß-Herr sich vornehm aufführet, eine Visiten-Stube, ein Einheitz-Gewölbigen, eine ordentliche Wohn-Stube, einen Alcoven, zwei Kammern, die Stube vor den Hauß-Herrn, eine kleine Deele, einen Stall für Pferde, den Thorweg nach dem Brauhauß, einen Kuhstall, Hünerställ, Maltz-Tennen, Maltzdörre, ein gewölbtes Brau-Hauß, zwey Geschoß von den fünffen hoch, einen Kühl-Trog, Maisch-Fässer, einen Hopffenkessel, einen Brau-Kessel, eine Wasser-Pumpe, einen Schweinhof, Schweine-Ställe, noch eine Pumpe, einen Abzug der Wasser (gehet durchaus auf die Gasse), eine Brandtewein-Brennerey, Holtz-Gewölbe, zwey Geschoß hoch von den fünffen..." Dies wäre das unterste Geschoss, während die anderen mit Mietwohnungen ausgebaut sind. Einzig zu bemängeln ist, dass es kein Studierzimmerchen für die Hausdame gibt. Auf dem Grundrissplan sind alle Räume außerordentlich übersichtlich aufgeführt, weitere Kupferstiche zeigen die unterschiedlichen Fassaden der Wohnhäuser, aber auch Prachtgebäude auf dem Lande sowie Säulen der unterschiedlichen sechs Ordnungen, präzise dargestellt in der von L.C. Sturm herausgegebenen Vollständige Anweisung, alle Arten von regularen Pracht-Gebäuden nach gewissen Reguln zu erfinden, auszutheilen und auszuzieren.


Nicht ganz unwahrscheinlich wäre es, dass der wohlhabende Brauer neben seinen Pferden, Kühen und Hühnern auch eine Perpendikeluhr (womöglich mit einem Stundenschlagwerk) im Hause stehen oder zumindest eine mittlere Taschenuhr hat, damit der Inhalt des Hopfenkessels pünktlich umgerühret wird. Zum Verständnis dieser technischer Wunderwerke empfehle man ihm die Ausführliche Abhandlung von den Uhren überhaupt von Jakob Alexander, justament 1763 in deutscher Übersetzung und mit vielen Kupfern erschienen. Von besonders reizvoller Wirkung ist die handkolorierte Neue Tafel vor alle Liebhabers und See-fahrende Personen, die über dem Schreibtisch des Hausherren eine gute Figur machen könnte. Nach stundenlangen nächtlichen Privatstudien wären das helle Türkis und das pointierte Rot eine erholsame Abwechslung für seine Augen. Das Gelb könnte seinen Blick auf die Galionsfigur lenken, träumend hätte er sich auf dem ranghöchsten Admiral-General Posten gesehen - Hackebord mit Wind im Backenbart. Doch zu der dekorativen Kraft des Kupferstiches gesellt sich die Genauigkeit technischer Informationen, derer ein seriöser Liebhaber benötigt.

Für die Notizen aus Frankfurt eilten wir mit Fotoapparat und Notizblock zu Autoteile-Schuwerack. Was wir dort gefunden haben, lesen Sie am Ende unseres Angebotes.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Klopf & Kauf In der Braubachstraße 7, gegenüber dem Museum für Moderne Kunst, befindet sich Autoteile-Schuwerack. Bereits das Schaufenster lässt ahnen, dass der Laden ein riesiges für den Kunden unübersichtliches Sortiment birgt. Das Geschäft ist seit 1945 hier zu finden und wurde von Wilhelm Schuwerack geführt, bevor seine Tochter Vera, die bei ihrem Vater eine Lehre gemacht und schließlich den Laden übernommen hat. Frau Schuwerack wird aufgrund ihrer Fachkenntnisse sehr geschätzt und auch aus eigener Erfahrung möchten wir das Geschäft auf diese Weise empfehlen. Der Laden hat weiterhin geöffnet, um geläufige Artikel wie Türgriffmuscheln, Motorenöl, Kleeblatt-Felgenschlösser, Lenkhilfen aber auch erforderliche Dinge wie einen Schutzschlauch Marder Stop & Go oder Anti-Marder Stäbchen, eine Scheinwerferbirne für einen alten Mini, das Starktonhorn, das Elektro Fanfaren-Set im Zweiklang sowie einen Kugelschreiberhalter anzubieten. Um im Auto einen gewissen Komfort zu gewährleisten, empfiehlt sich das Holiday-Traveller-Garderobe-System, der Lenkradschoner hergestellt in einem samtigen Textil und der Kinder-Beobachtungsspiegel. Ihre Kunden empfängt Frau Schuwerack zum derzeitig coronabedingten Klopf & Kauf an der Ladentür. Auf dem Foto sieht man sie etwas mürrisch, musste sie doch gerade eine lästige Anfrage zum Geldwechseln für die Parkuhr abweisen. Bei dem Foto im detailfreudigen Innenraum des Ladens handelt es sich um ein Archivfoto, das wir dankenswerter Weise von Dagmar Priebke, Kennerin der jungen Frankfurter Geschichte in der Braubachstraße und Umgebung, erhalten haben.  
 

DAS 16.JAHRHUNDERT AM FREITAG


Unser hier dargebotenes 16.Jahrhundert beginnt mit einem Aufeinandertreffen reizender italienischer Frauengestalten und des unbesiegbaren römisch-deutschen Ritters Theuerdank. Dieser in breiten schwarzen Holzschnittlinien dargestellet, jene in zarten Linien und Farben nach Raffaels kapriziösen Geschöpfen präsentieret. Die Unterschiede der Darstellungsmanier sind enorm und doch – man glaubt es kaum – im gleichen Jahrzehnt entstanden bzw. begonnen worden. Die erste Ausgabe des Theuerdank wurde 1517 gedruckt und diente der Mythenbildung des Lebens Kaiser Maximilians I. Unbesiegbar wollte er der Nachwelt in Erinnerung bleiben und veranlasste die Veröffentlichung, die sogleich nach seinem Tod 1519 in 340 Exemplaren verteilt wurde. Unsere hier angebotene Ausgabe ist nach 1679 erschienen. 123 Textholzschnitte, darunter auch die 6 zusätzlichen Holzschnitte, geschnitten von Leonhard Beck, Hans Schäufelein, Hans Burkmair u.a. begleiten die Abenteuer und Prüfungen des Ritters auf seinem Weg zu seiner zukünftigen Braut, dem holden Fräulein Ehrnreich, die hier dem tapferen Helden gegenübertritt.

Gleich zu Beginn der Angebotsliste flattern dem Betrachter leuchtend kolorierte Vögelchen entgegen, schnörkeln sich Blätter und Leuchter in unvergleichlicher Ornamentvielfalt, strecken sich zarte Frauengestalten in Richtung Himmel. Sie sind hier als Kupferstiche in über einem Meter Höhe gedruckt sowie aufwendig per Hand koloriert verfügbar und bilden die Ausmalungen der Loggien des Papstpalastes nach, die Raffael 1513 begann. Weitere ästhetische Zeugnisse des italienischen Cinquecento zeigen sich in der in Venedig gedruckten Ausgabe Il Decameron von Giovanni Boccaccio. Die Vielfalt der Ornamente setzt sich hier fort. Wir sehen ausgewogen komponierte Marginalien, Kolumnentitel und aufwendig geformte Textblöcke in Antiquaschriften gesetzt im Spiel mit verzierten Initialen und raffinierten Kopfstegen. Es ist wohl nicht übertrieben, wenn man feststellt, dass die Seiten dieses Buches einen Genuss für das Formgefühl darstellen. In der ersten verteütschet Ausgabe der Officia von Cicero aus dem Jahre 1531 gibt es ähnliche Textgebilde, allerdings hat das Buch aufgrund der gotischen Schrifttype und der Holzschnitte ein spürbar anderes ästhetisches Temperament, das ebenso über zahlreiche Reize verfügt und zudem sehr selten auf dem antiquarischen Buchmarkt anzutreffen ist.

Die berühmte Officina Plantiniana aus Antwerpen ist in unserer Auswahl mit dem Titel Syntagma Tragoediae Latinae in einem blindgeprägten Schweinsledereinband der Zeit vertreten und gibt uns die Möglichkeit auf das großartige Plantin-Moretus-Museum hinzuweisen, das teilweise noch aus den Gebäuden der Renaissance besteht, als auch über erstaunlich umfangreiches Werkstattinventar mit den ältesten Druckpressen und eine Bibliothek mit der beinahe gesamten Buchproduktion des Hauses verfügt. Hier ist der erste moderne Atlas Theatrum orbis terrarum von Ortelius gedruckt worden, aus dem auch der unten folgende Kartensatz mit den damals bekannten Kontinenten und der Weltkarte stammt. Eine Gesamtansicht von der im 16.Jahrhundert reichsten Handelsstadt Anverpia haben natürlich Georg Braun und Frans Hogenberg für ihr Ansichtenwerk Civitates Orbis Terrarum anfertigen lassen, die hier sorgsam und von alter Hand koloriert zu sehen ist. Mit dem aus dieser Ansicht elegant hervortretenden Edelmann, flankiert von drei die damalige Mode präsentierenden Damen, schließen wir die heutigen Ausführungen, jedoch nicht ohne an unseren hiesigen Drucker und Verleger Christian Egenolff in den Notizen aus Frankfurt zu erinnern.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Denkmal & Straßenschild Auf den Spuren des Druckers und Verlegers Christian Egenolff, der hier in Frankfurt am Main tätig war und im Jahre 1555 gestorben ist, konnten wir eine Straße, die nach ihm benannt wurde, entdecken sowie ein Porträt, das hoch oben mit 13 anderen Verlegerköpfen aus dem Gutenberg-Denkmal schaut. Das Denkmal ist 1858 auf dem Roßmarkt eingeweiht worden und behauptet sich dank seiner kantig sperrigen Form sowie der massigen mit Tüchern bedeckten weiblichen Allegorien standhaft gegenüber den hohen Bankentürmen. Der Stahlstich, ein Einblattdruck, zeigt die Einweihung des Denkmals und befindet sich im Angebot des Tresor am Römer. Egenolff hat beachtliche Werke verlegt wie die sogenannte Egenolffsche Bibel in der Übersetzung von Luther mit den Illustrationen von Hans Sebald Beham oder dem Teutschen Kräuterbuch von Adam Lonicer, ein Standardwerk der damaligen Zeit. Ebenso hat er die Neubearbeitung des Theuerdank beauftragt und schließlich mit den Originalholzstöcken der Holzschnitte drucken lassen. Die Offizin, die sich an der Ecke Großer Kornmarkt/Sandgasse befand, wurde bedauerlicherweise 1907 abgerissen.

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